Einfach schreiben ist schwer

«Nichts ist leichter als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht.» (Arthur Schopenhauer)

Es war kurz nach meinem Studium. Ich hatte mir einen Job als Redaktorin bei einer auflagenstarken Zeitschrift geangelt. Nach der ersten Redaktionssitzung nahm mich der stellvertretende Chefredaktor zur Seite. «Du hast studiert. Die akademische Schreibe kannst du dir aber sofort abschminken. Hier schreiben wir so, dass es die Leute verstehen.» Eine klare Ansage. Ich schluckte dreimal leer. 

Der ältere Kollege hatte einen wunden Punkt berührt. Natürlich hätte ich als frischgebackene Germanistin gern so geschrieben wie die grossen deutschen Dichter oder die Edelfedern unter den Journalistinnen und Journalisten im Feuilleton der FAZ. Ich hätte die schönsten Pirouetten gedreht, labyrinthische Sätze mit endlosen Einschüben gebaut, an meinen Formulierungen gefeilt und meine Belesenheit unter Beweis gestellt, indem ich Fremdwörter und rhetorische Figuren eingebaut hätte, um zu guter Letzt einen kryptischen Titel über meinen Text setzen zu können. 

Nun aber sollte ich aber den ganzen Bildungsbalast vergessen, den ich mir über Jahre angeeignet hatte, den akademischen Stil loswerden und «einfache» Texte schreiben? Im Ernst?

«Schreibe so, dass es die Leute verstehen.» Auch eine Dozentin in einem Weiterbildungslehrgang in Kommunikation hat diese Aussage jüngst mantraartig wiederholt. So oft, dass es fast schon schmerzhaft war. 

Nur: Den Ratschlag habe ich bereits vor zwanzig Jahren beherzigt. Leicht war es nicht, sich vom gestelzten universitären Deutsch zu verabschieden. «Wenn Sie ein Adjektiv finden, töten Sie es sofort», soll Mark Twain gesagt haben. An solche Weisheiten habe ich mich seither gehalten.