«Leichte Sprache – Deutsch für alle»

Vielleicht haben Sie schon von «Leichter Sprache» gehört. Oder von «Einfacher Sprache». Wenn nicht, werden Sie bestimmt noch davon hören. Denn an Leichter Sprache kommt bald niemand mehr vorbei, der der Öffentlichkeit Informationen zur Verfügung stellt. Was also versteht man darunter? Und wieso braucht es die Leichte Sprache?

Kurz zusammengefasst: Leichte Sprache ist ein Hilfsmittel. Sie vereinfacht Texte und macht diese verständlich. Leichte Sprache ist stark vereinfachtes Deutsch, das ohne Nebensätze, ohne Konjunktiv, Passiv und Genitiv auskommt. Sie vermeidet schwierige Wörter und erklärt abstrakte Begriffe anhand von Beispielen. Die Komplexität der Standardsprache wird also massiv reduziert.

Doch wieso braucht es eine solche Vereinfachung? Weil viele Menschen – mindestens 800‘000 Personen in der Schweiz – Mühe haben mit dem Lesen und Verstehen von komplizierten Texten. Sie können zwar einfache Sätze verstehen, jedoch keine zusammenhängenden Texte lesen, verstehen oder schreiben.

Es sind Menschen mit Lernschwierigkeiten, geistigen Behinderungen oder kognitiven Beeinträchtigungen. Leichte Sprache ermöglicht ihnen den Zugang zu Informationen, baut damit Barrieren ab und fördert die Partizipation. Deshalb wird die Leichte Sprache auch von Behindertenorganisationen wie Pro Infirmis gefördert (das «Büro für Leichte Sprache» von Pro Infirmis Zürich bietet seit 2015 Übersetzungen in Leichte Sprache an). Doch auch ältere Menschen, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen, Fremdsprachige und Migrantinnen finden sich mittels Leichter Sprache besser im Alltag zurecht. Leichte Sprache sorgt also für Barrierefreiheit oder Accessibility.

Dieses Ziel ist auch in der UNO-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgehalten. Demnach müssen Informationen von Behörden allen zugänglich sein – und deshalb konsequent in die Leichte Sprache übersetzt werden. Diese Übersetzung erfolgt nach bestimmten Regeln und schliesst eine übersichtliche Darstellung – etwa von Webseiten oder Broschüren – mit ein. Gabriela Antener, Professorin an der Hochschule für Soziale Arbeit, die zu diesem Thema forscht, sagt dazu: «Viele Menschen wären froh, wenn behördliche Informationen verständlicher wären.»

Natürlich gibt es auch Kritiker. Sie monieren eine defizitorientierte Sichtweise, argumentieren, dass die Verwendung von Leichter Sprache Menschen auch ausschliessen kann oder dass sich die Empfängerinnen von Leichter Sprache nicht ernst genommen fühlen («Deutsch für Dumme»). Auch die Schreibweise und die neu geschaffenen Grammatikregeln der Leichten Sprache sorgen für Kontroversen, beispielsweise die Trennung von zusammengesetzten Wörtern mit Bindestrich und Fugen-s (Gleichstellungs-Gesetz) oder der sogenannte Mediopunkt (Wetter·bericht).

Zum Schluss dieser kurzen Einführung ins Thema sollten wir die Leichte Sprache noch von der Einfachen Sprache abgrenzen. Die beiden Begriffe werden oft synonym verwendet, die beiden Sprachstile unterscheiden sich jedoch. Gemäss dem Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – A1 für Anfänger bis C2 für Experten – entspricht Leichte Sprache der Stufe A1, Einfache Sprache der Stufe A2 bis B1. Die Einfache Sprache entspricht also einem komplexeren Sprachstil und erlaubt längere Sätze und auch Nebensätze. Zur Illustration ein Originaltext und die Übersetzungen in Leichte und Einfache Sprache (Quelle: anne-fries.de).

Originaltext:

«Frische Zutaten, mit Liebe und Können zusammengestellt, auf den Punkt gegart, gebacken oder gebraten und mit den richtigen Gewürzen abgerundet – so kreieren Sie raffinierte Gaumenfreuden für Ihre Gäste. Doch vor dem Genuss kommt der Blick in die Speisekarte. Sie sollte so gestaltet sein, dass einem schon beim Durchblättern das Wasser im Munde zusammenläuft.»

Text in Leichter Sprache:

Sie haben ein Restaurant? Dann kochen Sie bestimmt sehr gut. Oder Ihr Koch kocht sehr gut. Sie wollen: Das Essen soll schön aussehen. Und das Essen soll Ihren Gästen lecker schmecken.

Aber auch die Speisekarte muss schön aussehen, weil Ihre Gäste als Erstes die Speisekarte sehen. Ihre Gäste sollen dann denken: Hier schmeckt das Essen bestimmt sehr lecker!

Text in Einfacher Sprache:

Sie haben ein Restaurant?
Dann kochen Sie bestimmt sehr gut.
Oder Ihr Koch kocht sehr gut.
Sie wollen:
         Das Essen soll schön aussehen.
         Das Essen soll Ihren Gästen lecker schmecken.

Aber auch die Speise·karte muss schön aussehen.
Die Speise·karte sehen Ihre Gäste nämlich als Erstes.
Ihre Gäste sollen dann denken:
         Hier schmeckt das Essen bestimmt sehr lecker!

Wer sich weiter fürs Thema interessiert, dem sei die Weiterbildung in Leichter Sprache an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW empfohlen (die ich 2021 selbst absolviert habe).